Ich wollte immer schon einen Vampir, seit ich denken kann – oder zumindest, seit ich weiß, was Vampire sind. Wenn ich mich recht erinnere, fing alles mit dem kleinen Vampir von Angela Sommer-Bodenburg an. Die Bücher und die Fernsehserie habe ich als Kind verschlungen und wollte dann auch so einen coolen, besten Vampirfreund wie Rüdiger von Schlotterstein. Das hatte damals natürlich noch keinen romantischen Charakter. Das kam erst später mit der Pubertät und – tja, wahrscheinlich muss ich es zugeben – mit den Twilight-Büchern. Die Verfilmung von Anne Rices Klassiker Interview mit einem Vampir mit Brad Pitt tat ihr Übriges. Von da an habe ich alles gelesen und angeschaut, was das Genre der Vampirromanzen so hergab. Und während diese Teeniephase bei anderen irgendwann vorbeigeht, gehe ich mittlerweile stramm auf die Dreißig zu und träume immer noch von einem Vampirlover.
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Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Heute habe ich noch ein Date mit einem vielversprechenden Typen aus einem meiner Lieblingsforen. Sein Profil war sehr geheimnisvoll und er hat auch nicht viel von sich geschrieben, bevor wir uns verabredet haben. Aber das ist mir ganz recht. Ich lerne Leute immer noch am liebsten in natura kennen.
Wir treffen uns in einer kleinen Szenekneipe in der Nähe des Stadtzentrums – öffentlicher Ort natürlich. Er sitzt schon an einem Tisch beim Fenster, als ich reinkomme. Er trägt schlichte schwarze Klamotten: Hemd, Hose, Halbschuhe statt die in der Szene üblichen Stiefel. Das schwarze Haar fällt ihm in perfekten Wellen auf die breiten Schultern. Er sieht tatsächlich noch besser aus, als auf seinen Profilfotos. Wow, das ist selten!
Als er mich sieht, steht er auf und begrüßt mich mit einer kurzen Umarmung. Sein Atem streift dabei ganz flüchtig über meinen Hals. Ich spüre etwas wie Aufregung oder Vorfreude in mir aufsteigen. Das hier ist anders als sonst. Das hier fühlt sich an, wie in einem meiner Bücher.
„Schön, dass du hier bist, Marie“, sagt er ruhig. „Ich habe mich sehr darauf gefreut dich kennen-zulernen.“ Seine Stimme ist wie geschmolzener Karamell. Klingt albern, ist meinem Fangirl-Ich aber egal. Ich bin jetzt schon wie benebelt.
Er bestellt Rotwein, ich Gin-Tonic.
„Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, jemanden wie dich zu finden, eine Frau, die einen wahren Vampir sucht.“ Als er mich durchdringend anschaut, ist da definitiv diese düstere Anziehung. Der Typ gibt genau die richtigen Vibes ab.
„Bist du denn was ich suche?“, frage ich provokant. Jippie, meine Stimme klingt genauso tief und verführerisch, wie ich es gern hätte.
„Das werden wir wohl bald rausfinden“, sagt er nur in diesem hypnotisierend ruhigen Tonfall.
Wieder wow! Ok, meinen Eltern kann ich den auch nicht vorstellen. Sie versuchen zwar offen gegenüber Leuten aus der Szene zu sein, aber ich glaube, sie befürchten noch immer abwechselnd, dass ich eine Psychose entwickle oder einem Satanskult verfalle. Dabei führe ich ansonsten ein ganz normales Leben: Ich habe Freunde, eine Wohnung, ein Auto, einen Job.
Naja, Eltern eben. Bis ich Mitte zwanzig war, haben sie sich alle Mühe gegeben, mir zu helfen diese „pubertäre Phase“ zu überwinden. Dann haben sie wohl eingesehen, dass sich das nicht mehr auswächst. Seither versuchen sie das Thema Vampire zu ignorieren und stürzen sich auf jedes andere Interessengebiet, das ich auch nur am Rande erwähne.
Beispielsweise sind mir vor ein paar Monaten dann auch auf Netflix endlich die Vampirserien ausgegangen und ich bin zeitweise auf kitschige, chinesische Fantasyserien ausgewichen. Als ich bei einem Familienessen erwähnt habe, wie schade es ist, dass diese Serien nur mit Untertiteln verfügbar sind, haben meine Eltern mir bei nächster Gelegenheit ein Chinesisch-Lernprogramm und ein Kalligrafieset geschenkt. Hat mich ein bisschen gewundert, bis ich gehört habe, wie meine Mutter meinem Vater zuflüsterte: „Wenigstens gibt es in China keine Vampire.“
Tatsächlich ist das chinesische Pendant zum Vampir eher eine Art Zombie, das einem bestenfalls das Qi, also die Lebensenergie, aussaugt und mit meinen verführerischen Helden wenig zu tun hat. Der Mann, der mir gegenüber sitzt, passt da schon viel eher ins Beuteschema.
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Während wir einen Drink nach dem anderen bestellen, entfalten sich in meinem Geist schon epische Szenarien unserer Liebesgeschichte: Liebe auf den ersten Blick, Rettung vor ungeahnten Gefahren – ach was: am besten kann nur unsere Liebe die Menschheit vor der Versklavung durch seine finsteren Artgenossen retten. Danach: bombastischer Sex, noch mit dem Adrenalin der Gefahr im Blut. Und dann: Happy End. Ein magisches Band besiegelt diese perfekte Verbindung. Das ist ganz wichtig: In den Geschichten gibt es auch meistens irgendeinen Hokuspokus, der ewiges Beziehungsglück garantiert und dafür sorgt, dass mir der Typ nicht irgendwann zu langweilig wird oder mir sein gequälte-Seele-Gehabe auf den Geist geht oder der Penner mit irgendeiner anderen, schickeren Gothic-Tussi fremdgeht.
Ok, ein wenig steigt mir gerade der Gin-Tonic zu Kopf. Und vielleicht kommt in meinem emotionalen Ausnahmezustand auch gerade durch, dass ich hart auf die Dreißig zugehe und mangels Vampirismus so einige biologische Uhren anfangen zu ticken. Aber damit will ich mich jetzt nicht auseinandersetzen. Ich bin viel zu beschäftigt, unvernünftige Entscheidungen zu treffen; zum Beispiel „Ja, gerne“ zu sagen, als er mir anbietet mich nach Hause zu bringen. „Aber zu Fuß. Ich wohne nicht weit weg“, setze ich nach. So unvernünftig, in ein fremdes Auto zu steigen, bin ich dann doch noch nicht.
„Natürlich“, stimmt er mir zu und hält mir die Tür nach draußen auf. Die frische Nachtluft bringt mich kurzzeitig wieder runter. Also, ein kleiner Nachtspaziergang ist bestimmt noch romantisch, aber ich nehme ihn definitiv nicht mit rauf. Immerhin soll das hier was Ernstes werden, auch wenn ich in meinem Gefühlstaumel gerade nichts gegen ein One-Night-Stand hätte.
Auf dem Weg habe ich das Gefühl, dass zwischen uns regelrecht die Luft brennt. Er läuft gerade dicht genug neben mir, dass unsere Arme im Gehen aneinander vorbeistreifen. Wenn wir um eine Ecke biegen, meine ich manchmal ganz leicht seine Hand auf meinem unteren Rücken zu spüren. Er macht echt alles richtig und bald klopft mein Herz wie wild, obwohl wir gemütlich gehen.
Als wir vor der Tür zu meinem Wohnhaus ankommen, fummele ich etwas unbeholfen mit meinem Schlüssel herum und lasse ihn fallen. Er kommt nie auf dem Boden an, sondern pendelt im nächsten Augenblick schon wieder vor meiner Nase. Mein Begleiter hat ausgezeichnete Reflexe. Noch ein Punkt für ihn. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Mit einem geschickten Handgriff drückt er mir den Schlüssel in die Hand, als ich danach greife. Gleichzeitig nimmt er meine Hand und presst sanft seine Lippen darauf. Was wie eine kitschige, übertriebene Geste rüberkommen sollte, haut mich total von den Socken. Ich fühle mich wirklich wie hypnotisiert.
„Einen Abschiedskuss?“, fragt er und beugt sich dabei langsam zu mir herunter. Oh wow! Gleich werde ich ohnmächtig! Das ist besser als in jedem Film oder Buch! Ich nicke nur stumm und seine Lippen legen sich auf meine. Sein Atem riecht gut, nach dem Rotwein, den er getrunken hat und irgendwie nach Gewürzen oder – ach egal, wen interessiert’s? Er küsst jedenfalls wahnsinnig gut. Er zieht mich enger an sich, seine Hände wandern auf meinem Rücken hinauf bis eine zwischen meinen Schulterblättern liegt, die andere um meinen Nacken. Mich an meine Prinzipien zu halten und das hier für heute zu beenden, wird schwerer als gedacht.
Sein Mund wandert langsam zu meinem Hals hinab. Ich spüre, wie seine Zähne über meine Haut streifen. Oh Gott, das macht mich an! Vielleicht nehme ich ihn doch noch mit rauf. Langsam schließen sich seine Zähne an meinem Hals. Er beißt zu. Erst sanft dann immer fester. Ich stöhne auf. Er beißt noch fester. Autsch! Ok, das ist nicht mehr ganz so sexy. Ich versuche mich wegzudrehen, aber er hält mich fest. Fuck, tut das weh! Ich bekomme Panik. „Au Scheiße! Hör auf!“, schreie ich und schiebe ihn mit aller Kraft von mir weg.
[…]
Ich fasse mir an meinen lädierten Hals. Nochmal Autsch! Es brennt, als ich über die Stelle fahre. Ich schaue meine Finger an und sehe selbst im schummrigen Licht der Straßenlaterne die dunkelroten Flecken auf den Kuppen. Scheiße, hat der mich jetzt etwa echt blutig gebissen? „Alter, bist du komplett bescheuert?“, platzt es aus mir heraus.
Ende der Leseprobe.
Gib mir noch eine! – Ups. Du hast alle Leseproben aus Band II gelesen. Hier kannst Du nochmal in Band I reinschauen.
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Besonders, wenn Dir diese Geschichte gefallen hat, habe ich demnächst was für Dich: Eine Ork-Liebesgeschichte. Bäh, klingt eklig? Nene, wird ganz süß. Und seien wir mal ehrlich Vampire und Werwölfe als Monsterlover sind doch langsam durch. ;P
Wenn Du wissen möchtest, wie es mit der Geschichte von oben weitergeht, kannst Du hier Band II kaufen.
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